Bockwurst & Bier 11FREUNDE

November 2024 · 3 minute read

Dieser Nachruf erschien erst­mals am Abend des 21. Juli 2022.

Im Jahr 2012 traf ich Uwe Seeler in der Bar eines Nürn­berger Hotels. Weiter vorn am Tresen schimpfte sturz­be­trunken der Dichter Max Goldt wahl­weise mit dem Bar­keeper oder seinem ima­gi­nären Ich. Seeler hin­gegen saß umringt von ein paar Ham­burger Freunden an einem Tisch, grinste wie ein Honig­ku­chen­pferd und schlürfte beglückt aus einer Bier­flöte.

Am Abend hatte ihn die Aka­demie für Fuß­ball­kultur“ mit dem Preis für sein Lebens­werk aus­ge­zeichnet. Bei der Über­gabe fragte ihn die Mode­ra­torin, wie er diese Aus­zeich­nung denn zu feiern gedenke. Im breiten Idiom des Ham­burger Hafen­ar­bei­ter­sohns tat er kund, dass er sich nun auf ein schönes Glas Weiß­wein“ im Kreise der anwe­senden Fuß­ball­fa­milie freue.

Als ich ihn nun in der Bar ansprach, warum er denn statt des gedie­genen Ries­lings ein Gezapftes tränke, ent­geg­nete Seeler freund­lich: Min Jung, Weiß­wein hatte ich vorhin genug, jetzt geh ich mit meinen Freunden zum gemüt­li­chen Teil über.“

Ein Mensch aus der Mitte des Lebens

Uwe Seeler war als Fuß­ball­held ein Fix­stern des ana­logen Zeit­al­ters. Wer ihn ken­nen­lernte, traf keinen gran­telnden Alt-Star, keinen Ehren­spiel­führer, keinen prä­ten­tiösen Fuß­ball-Helden, son­dern einen Men­schen aus der Mitte des Lebens. Er wusste, wie man genießt und dass es sich nicht lohnt, zu lang ver­ge­benen Chancen nach­zu­weinen. Er konnte unwirsch sein, wenn ihn Grund­schüler wegen Auto­grammen bedrängten („Nimm doch mal einer die Kinder hier wech“) oder auch mensch­liche Schwä­chen ein­ge­stehen, als er sich in den Neun­zi­gern über­reden ließ, die HSV-Prä­si­dent­schaft zu über­nehmen und dabei ziem­lich glücklos agierte. Bedenkt man, dass Seeler fast zwanzig Jahre lang zu den besten Stür­mern der Welt zählte, der in 72 Län­der­spielen 43 Treffer mar­kierte und für seinen HSV Tore wie am Fließ­band schoss (404 Tore in 476 Pflicht­spielen), ist kaum vor­stellbar wie zuge­wandt er seinen Mit­men­schen bis ins hohe Alter blieb.

Zehn Bock­würste an einem Abend

Fuß­ball­per­sön­lich­keiten wie er werden heute nicht mehr pro­du­ziert. Er lernte Dis­zi­plin unter der harten Knute von Vadder“ Erwin, der eben­falls ein großer HSV-Star gewesen war. Gemeinsam mit seinem guten Freund Klaus Stürmer wurde er am Rothen­baum von Trai­ner­le­gende Günter Mahl­mann geschliffen. Der Alte hielt die beiden Hoch­be­gabten an der langen Leine, gestand ihnen Bock­wurst-Wett­essen zu (Zitat Seeler: Einmal habe ich zehn Stück an einem Abend ver­drückt. Ich war und bin eine fleisch­fres­sende Pflanze. Im Sta­dion esse ich bis heute Bock­wurst, die kna­cken ein­fach so schön.“) und wusste genau, wie er die ver­irrten Kriegs­kinder zu Höchst­leis­tungen trieb.

Schon als Teen­ager traf der gedrun­gene Stoß­stürmer fast nach Belieben. Mit 17 Jahren gab er als Sturm­spitze in der frisch­ge­ba­ckenen Welt­meis­terelf von Sepp Her­berger sein Natio­nal­elf­debüt gegen Frank­reich. Unsterb­lich als Fuß­baller machte er sich gleich drei Mal in seiner Lauf­bahn:

1961 als er einem obs­zönen Mil­lio­nen­an­gebot von Inter Mai­land wider­stand, weil er seine Heimat Ham­burg, seinen Her­zens­klub und seine Anhänger nicht ent­täu­schen wollte. 1,2 Mil­lionen Mark hatten ihm die Ita­liener geboten, ein Salär das damals die Grenzen alles Vor­stell­baren sprengte. Doch der han­sea­ti­sche Kugel­blitz ließ sich nicht erwei­chen.

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